„44 Jahre nach Entstehung der Gipsfigur ‚Anja‘ entschloss sich Wanda Pratschke 2021 zu deren
ersten Abguss in Bronze. Die […] Bildhauerin schaut damit auf ihre Anfänge zurück − Anfänge, die
bereits etliche Entwicklungslinien des Weiteren OEuvres in sich bergen. Den Blick richtet
Pratschke 1977 auf ihre Tochter Anja, die sie als stehenden Akt gibt. Damit steht sie in einer
langen Traditionslinie der weiblichen und männlichen Figurendarstellung, die in Deutschland
insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhundert einen modernen Schub erhielt. Durch Konzentration
auf inhaltlich wie formal Elementares, auch durch Rückbesinnung auf handwerkliche Wurzeln
entwickelte sich gerade anhand dieses Themas ein breites Spektrum an künstlerischen Lösungen,
vom expressiven Ernst Barlach (1870–1938) bis hin zum lyrischen Georg Kolbe (1977–1947). […]
Doch es scheint, als ob etwas Wesentliches die Künstlerin von den genannten Wegbereitern
unterscheidet: Der Blick auf den weiblichen Körper und die künstlerische Interpretation desselben
sind die einer Frau. In großer Vertrautheit und ohne jeglichen Voyeurismus, sondern respektvoll
blickt die Künstlerin auf ihr Modell. Still, in sich ruhend und jenseits aller Posen steht das junge
Mädchen fest auf ihren Füßen. Keine noch so kleinen Drehungen bringen den klaren statuarischen
Körper aus dem Takt. Die Geschlossenheit der Form findet ihr Äquivalent in den geradezu
kontemplativen Zügen des Gesichts. Eben jene beeindruckende, monumentale Ruhe zeichnen
auch alle später entstandenen weiblichen Figuren der Künstlerin aus. Es sind Skulpturen, die
mittels ihrer reinen Präsenz unverhohlen invasiv agieren: Sie nehmen sich den Raum, den sie
brauchen. Dabei brechen sie keineswegs durch ausgreifende Gebärden oder dynamische Achsen
in den Raum hinein, sondern im Gegenteil: Es sind Körper, die unverrückbar und harmonisch in
ihrer klaren Silhouette existieren. Mit dieser Entscheidung, nun auch dieses beeindruckende
Frühwerk in Bronze gießen zu lassen, schließt die Künstlerin in der für sie bezeichnenden
Stringenz einen (ihren) Kreis.“ (Eva Mongi-Vollmer, Frankfurt am Main, 2021)

https://skulpturen-wanda-pratschke.de/

Künstler*in: Wanda Pratschke
Titel: Anja
Entstehung: 1977
Material: Bronze
Abmessungen: 155 x 35 x 20 cm

Text und Foto: Dr. Isa Bickmann und Wanda Pratschke